Sport macht happy. Aber muss es gleich ein Marathon sein? „YES!“ Das sagt Judith Radloff vom Blog „boost the mietz“ und lässt euch hinter die Kulissen blicken …

Elischeba: Wie ist es dazu gekommen, dass du dich in deiner Haut nicht mehr wohl gefühlt hast?

Judith: Ich steckte gerade mitten in meinem Veterinärmedizinstudium als ich merkte, dass ich immer mehr zunahm. Am Anfang war es noch in einem normalen Rahmen, doch als ich dann im Praktikum auf einer großen Hundewaage stand und die mir gut zehn Kilo mehr als vorher anzeigte, war ich doch leicht schockiert.

Während der Prüfungsphasen habe ich mich beim Essen einfach nicht zurückhalten können. Bewegung war zu dem Zeitpunkt sowieso Mangelware und so kam es, wie es kommen musste.

scc event Berlin 27.10.2013 Doeberitzer Heide /Gross Glienicke Groß Glienicke Cross Challenge Foto Camera 4

Elischeba: Welche ersten Schritte hast du dagegen unternommen?

Judith: Ich bin das alles leider ganz falsch angegangen und was noch schlimmer war, ich wusste, dass es falsch ist. Ich habe mein Essen radikal reduziert und vielleicht von 800 kcal gelebt.

Dass das nicht ausreicht ist klar, denn eine durchschnittliche Frau hat einen Kalorienberdarf von 1800-2000 kcal und das ohne Sport. Aber irgendwie habe ich diesen anfänglichen sofortigen Effekt gebraucht, um zu merken, dass ich auch mit deutlich weniger Essen auskomme. In der Zeit habe ich mich dann auch intensiv mit dem kcal- und Nährstoff-Gehalt von Lebensmitteln auseinandergesetzt und konnte meine Ernährung dann wieder in die richtigen Bahnen lenken.

Elischeba: Welche Nebenwirkungen hat diese radikale Reduzierung von Nahrungsmitteln mit sich gebracht?

Judith: Eine zu niedrige Kalorienzufuhr hat verschiedene Folgen. Bei mir äußerte es sich vor allem darin, dass ich ständig fror und müde war, obwohl ich eigentlich gut und ausreichend schlief. Als mir das auffiel, erhöhte ich meine kcal wieder und aß von da an 1800 kcal an meinen sportfreien Tagen und über 2000 kcal an meinen Sporttagen. Heute zähle ich keine Kalorien mehr. Ich kann es aber sehr empfehlen, da es relativ einfach ist und man quasi essen kann, was man möchte, eben nur allgemein weniger davon. Eingeschränkt habe ich mich bei der Art der Ernährung nie gefühlt.

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Elischeba: Wie bist du denn dann zum Laufen gekommen?

Judith: Das Laufen bot sich an, weil man es einfach immer und überall machen kann. Nebenbei war ich zwar immer im Fitnessstudio aber die 30 Minuten Fahrtweg waren eigentlich schon zu viel, so dass ich mich manchmal drückte.

Vor dem Laufen kann man sich kaum drücken, denn was spricht schon dagegen, kurz die Schuhe anzuziehen und loszulegen. Damals waren meine Einheiten ja noch sehr kurz. Die konnte ich wirklich immer dazwischen schieben. Außerdem war ich dem Laufen von vornherein negativ gegenüber eingestellt… Quasi konnte ich nie verstehen, wieso Leute einfach so sinnlos rumrennen ohne Ziel. Ich wollte rausfinden, was sie antreibt!

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Elischeba: Das hat dir dann so viel Spaß gemacht, dass du heute Marathonläuferin bist. Wie waren die ersten Wettkämpfe?

Judith: Nach und nach wurde ich mutiger und die Einheiten wurden immer länger. Meinen ersten Halbmarathon lief ich ca 1 Jahr nachdem ich begonnen habe im Training. Ich weiß, dass noch so genau, weil ich damals für ein paar Wochen in Beeskow war und die Gegend da so schön fand. Es ist sehr ländlich und man konnte über Felder laufen.

Das kannte ich hier aus Berlin natürlich nicht. Damals wollte ich eigentlich nur 16 km laufen, dachte dann aber: „Nun bist du so weit gekommen, 5 km schaffst du jetzt auch noch!“ Ich brauchte damals 2.45 h für meine ersten 21,1 km und war verdammt stolz drauf. Kurz danach begann ich auch meine ersten Wettkämpfe zu laufen. Das erste Mal stand ich beim B2Run an der Startlinie, einem der größten deutschen Firmenläufe, danach stand dann noch der Tierparklauf in Berlin in meinem Kalender. Beide haben mir sehr gut gefallen und so plante ich im nächsten Jahr mein erstes richtiges Wettkampfjahr inklusive meinem ersten Marathon!

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Elischeba: Was hilft dir, dich immer weiter zu steigern?

Judith: Ehrlich gesagt ist das sehr schwer. Nach meinem für mich tollen ersten Marathon in 2013, lief ich 2014 eher schlecht und kam erst nach fünf Stunden ins Ziel, obwohl ich eine 4h-Zeit anvisiert hatte. Es liefen offenbar viele Sachen falsch, die ich aber damals nicht wirklich bemerkt habe. Rückblickend habe ich mich da einfach überfordert und zu wenig regeneriert. Wenn man zu schnell zu viel will, bringt man seinen Körper an seine Grenzen.

Die Gefahr habe ich einfach unterschätzt. Nun weiß ich genau, was ich mir zumuten kann und lege auch mal außerplanmäßige Ruhetage ein, wenn ich das Gefühl habe, dass ich einen brauche. Ansonsten laufe ich, wenn ich nicht gerade spezifisch für einen Wettkampf trainiere meist dreimal die Woche, mache an zwei Tagen Krafttraining und dann zwei Tage frei. Zur Zeit habe ich das Skaten für mich entdeckt und schiebe es immer mal wieder ein. Ich halte ein ausgewogenes Training für sehr wichtig. So kommt es seltener zu Überlastungserscheinungen und man ist wirklich rundum trainiert. Reine Läufer haben meist das Problem, dass ihre Muskulatur recht schwach ist und sich dadurch Fehlhaltungen einschleichen.

Elischeba: Wieso ist Laufen für dich so eine tolle Sportart – was reizt dich daran?

Judith: Inzwischen ist mir klar geworden, wieso es so viele Läufer gibt. Nicht nur, dass Laufen sehr leicht auszuführen ist und es fast jeder machen kann, hat es auch den Vorteil, dass man egal wo man ist loslegen kann. Man braucht eigentlich nur gute Schuhe und ist quasi schon ein Läufer. Am Anfang erscheint Laufen sehr schwer. Auch ich fing mit Geh-Lauf Intervallen an und brauchte ca. 3 Monate, um eine halbe Stunde durchlaufen zu können.

Das Glücksgefühl, wenn man so einen Meilenstein erreicht hat, ist aber wahnsinnig. Das will man immer wieder erreichen und so verändern sich die Ziele. Man will immer weiter und schneller laufen und irgendwann ist man an dem Punkt, dass man regelmäßig die Schuhe schnürt und gar nicht mehr drüber nachdenkt. Meine Laufzeit ist inzwischen meine Zeit für mich. Ich liebe es mal nicht erreichbar zu sein und einfach die Gedanken schweifen zu lassen. Beim Laufen kommen mir die besten Ideen und oft treffe ich gleichgesinnte Freunde und wir drehen zusammen ne Runde. Mein Freundeskreis hat sich um ein Vielfaches vergrößert, denn Läufer sind eine freundliche Spezies und ständig trifft man neue Leute. Beim Laufen kann man sich außerdem recht schnell verbessern, was dazu führt, dass man am Anfang ein Erfolgserlebnis nach dem anderen hat.

Elischeba: Wow – das hört sich gut an 🙂 Wie sieht deine aktuelle Ernährung aus?

Judith: Meine aktuelle Ernährung ist ehrlich gesagt, nicht so wie es die meisten erwarten. Ich stecke gerade mitten im Training für meinen 4. Marathon und brauche daher auch entsprechend Energie. Ich liebe Kohlenhydrate und esse sehr gerne Kartoffeln, meist mit Gemüse und Spiegelei. Fleisch und Fisch steht selten bis gar nicht auf meinem Tisch. Gemüse, Obst und Joghurt gibt es jeden Tag und ich muss zugeben, dass ich ne große Naschkatze bin und eigentlich auch jeden Tag Kekse esse.

Ernährungstechnisch bin ich wirklich kein Vorbild. Ich habe festgestellt, dass es mir inzwischen viel leichter fällt, einfach ein paar Kilometer mehr zu laufen, als auf eine Süßigkeit zu verzichten. Früher war ich total akribisch mit meiner Ernährung, aber je länger die Läufe werden, desto hungriger wird man auch und es ist wichtig, die Energie, die man verbrennt, auch wieder zuzuführen.

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Elischeba: Welche Tipps hast du für andere, die mit dem Laufen anfangen möchten?

Judith: Der wichtigste Tipp ist: Lasst es langsam angehen!! Viele lachen jetzt vielleicht, aber es dauert eben seine Zeit bis man eine gewisse Distanz durchlaufen kann! Aber auch hier gibt es natürlich immer Ausnahmen. Lasst euch nicht einschüchtern von den Menschen, die ein natürliches Talent fürs Laufen haben. Ich habe auch wirklich lange gebraucht und bin jetzt schon sehr weit gekommen. Vergleicht euch immer nur mit eurem früheren Ich und nicht mit anderen. Das ist ein Punkt, der mir selbst schwer fällt, der aber wirklich unglaublich wichtig ist.

Elischeba: Welche Ziele und Wünsche hast du für die Zukunft?

Judith: Ich möchte einmal einen Marathon in unter vier Stunden laufen. Vielleicht klappt das ja schon in Berlin am 27.09.2015. Da ich ehrlich gesagt lieber langsam und lang laufe, anstatt auf Tempo zu trainieren, interessiert mich das Ultralaufen auch. Ultras sind alle Wettkämpfe, die länger sind als die klassische Marathondistanz (42,2 km). Vielleicht stehe ich nächstes Jahr ja mal bei einer 50 km Distanz am Start.

Elischeba: Klasse. Ganz lieben Dank für das Interview und weiterhin ganz viel Erfolg!

Danke für das nette Gespräch an Judith Radloff vom Blog „boost the mietz“ – hier könnt ihr mehr von der Marathonläuferin erfahren

Photo Credits: mit freundlicher Genehmigung von Judith Radloff (Blog „boost the mietz“)
 
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